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Zeitraum: 01.10.2019 – 10.10.2019 (Happy Birthday Oelle!)
Langsam wird es auch in MidWest Herbst, die Blätter färben sich, die Temperaturen fallen (aber nur bis um die 20 Grad Celsius außer in Ausnahmefällen) und ich habe jetzt schon Angst vor dem bitterkalten Winter… aber das wird schon. Übrigens hat uns eine Frucht namens Persimmon vorhergesagt, dass es ein schneereicher Winter wird!
Man schneidet die Kerne der Frucht, die bei uns im Garten wächst, auf und findet in ihnen entweder ein Messer, eine Gabel oder einen Löffel:
Messer (knife)= sehr kalter Winter mit schneidenden Winden (“ wind cuts like a knife“)
Gabel (fork)= milder Winter
Löffel (spoon)= schneereicher Winter

Tja was soll ich sagen? Für die Bank reicht’s nicht mehr also muss ich flexibel sein und umdenken! Neben meinem knallharten College Alltag mit 13 Wochenstunden, meinem Ehrenamt als Fußballtrainer und meiner Lieblingsfreizeitbeschäftigung (nen Football durch den Vorgarten schießen) blieb noch etwas Zeit um einen Part-Time Job in Anspruch zu nehmen! Schließlich will man auch nicht ewig Mama und Papa auf der Tasche rum liegen und Roadtrips kosten nun mal auch Geld.
Also hab ich mich von Elli (ihren Artikel findet wer auf den Namen klickt- Achtung sie ist extrem ehrlich und nimmt kein Blatt vor dem Mund) überreden lassen mit ihr in einer Süßigkeitenfirma persönlich für einen Teilzeitjob vorzusprechen. Gesagt, getan. Nach einem kurzen Gespräch, dem mehrfachen Vergewissern ob wir auch eine legale Arbeitserlaubnis für die USA haben und einem bestandenen Drogentest (Urinproben schweißen zusammen) stand unserem Job im Lager nichts mehr im Weg. Unser Job ist Süßigkeiten zu kneten, zu verpacken und zu labeln, um diese gefüllten und gelabelten Tüten dann anschließend in Kisten zu packen. DEN GANZEN TAG. ACHT STUNDEN LANG. IMMER DIE GLEICHE BEWEGUNG.
Den ganzen Tag die gleiche langweilige und monotone Fließbandarbeit zu haben ist schrecklich zugleich auch nicht wirklich anstregend. Ich habe immer das Gefühl, dass ich verdumme weil mein Gehirn nicht denken muss und in den Autopilot schaltet. Zudem habe ich auch das Gefühl, dass meine Augen schlechter werden weil meine tägliche Aufgabe ca. 20 cm vor meinen Augen stattfindet aber vielleicht ist das auch alles nur Placebo. Naja war interessant für die Experience und wer kann schon behaupten in einer Süßigkeitenfabrik gearbeitet zu haben? Ich kann es jetzt! Ich schreibe schon im Präteritum, da ich in absehbarer Zukunft meine Lagertätigkeit an den Nagel hängen werde. Der Mindestlohn in Illinois liegt übrigens bei 8,25$. Wir bekommen 8,87$, davon gehen aber nochmal ca. 10% Steuern direkt runter. Am Jahresende müssen wir übrigens nochmal eine Steuererklärung ausfüllen und alle Einkünfte nochmal mit 25% versteuern… seht ihr Mama, Papa? Arbeiten lohnt leider noch nicht!



Was die letzten Wochen noch passierte:
Als unserer College nen faculty day (Lehrerfortbildungstag oder so ähnlich auf deutsch) hatte sind Kathi, Elli, Momo und ich ins Auto gehüpft und in Illinois‘ Hauptstadt Springfield gedüst. Mal eben 2,5h hin, 3 Stunden da rumgehangen und 2,5h Autofahrt zurück, was man nicht alles so tut als Student an einem Dienstag. Die Hauptstädte der US-Bundesstaaten sind immer eher kleinere, unspektakulärere Städte. So auch Springfield. Außer Abraham Lincoln, der wie ein Heiliger dort verehrt wird, und dem State Capitol hat die Stadt nicht wirklich viel zu bieten. Lediglich ist uns zu Ohren gekommen, dass in Springfield wohl alle Autos über rote Ampeln fahren würden, so erzählte es ein Einheimischer. Also sollte euch der Vater des Verstands über Irrwege nach Springfield leiten – Obacht!
Nach einer kostenlosen Tour durch Lincolns früheres Haus und einem Besuch seiner Grabstätte haben wir uns noch das alte und das neue State Capitol angeschaut.





Alle Politolgen von euch denken jetzt wahrscheinlich das gleiche: Illinois, Springfield, old State Capitol?! Mensch da hat doch der Obama seine Präsidentschaftskandidatur verkündet! Richtig in 2007 stand der Barack da wo wir vier Heiopeis in 2019 Bild stehen.

– A. Lincoln in 1858, B. Obama in 2007 und N. Kress in 2019
vor dem Old State Capitol

Wer war eigentlich dieser Lincoln Fella?
Abraham Lincoln war der 16. Präsident der Vereinigten Staaten und der entscheidende Faktor für den Ausbruch des US-Bürgerkrieges und die Abschaffung der Sklavenhaltung. Er ist in Kentucky geboren, hat in Indiana gelebt und in Illinois entscheidend gewirkt und seine politische Laufbahn dort begonnen.



Springfield ist bekannt für sein „Horseshoe Sandwich“ – eher ein Burger mit Pommes und Käsesauce en Maß drüber. Typisch USA ist übrigens wenn es draußen 90 Grad Fahrenheit/ 30 Grad Celsius ist und man trotzdem einen Pullover mit aus dem Auto nimmt, weil jedes Restaurant radikal mit Air conditioning runtergekühlt wird.
Auf dem Rückweg war vor uns eine Leichenkorso auf dem Highway. Wie aus manchen amerikanischen bekannt werden aus Respekt diese Kolonen nicht überholt, also sind wir einige Meilen langsam hinter her geschlichen bevor unserer Vettel aka Momo aka Ramen Noodle wieder mal mit 20 miles per hour zu viel und Augen aufs Smartphone gerichtet vier Autos auf einen Schlag überholen musste. I am okay with that, but the girls kept complaining.
Apropos Auto. Mein Schlitten mit Flügeltüren hat auf dem Weg zur Arbeit ein wenig rumgezickt und dann kam die rote Warnleuchte für den Motor. Fahrschule ist schon etwas her und ich hatte keinen Plan ob ich weiterfahren darf mit dem leuchtenden Motorsignal oder nicht. Naja kb jetzt irgendeinen Abschleppdienst zu rufen, dachte ich mir, also ab auf den Highway und zu Eagleson gefahren, wo Momo und sein Hostdad sich meine Karre angeschaut haben. Trotz dessen die Leuchte zwischenzeitlich erlosch habe ich immer noch diverse Fehlermeldungen über den Motor. Naja let’s pray for the best. Keine Lust jetzt viel money in eine Reparatur zu stecken.
Außerdem ging ein neues Event an den Start: Der Rotary Club in Olney und der Richland County Rotary Club veranstalteten vor allem in Person meiner Host Mama Lauren Olney’s erstes Oktoberfest! Wenn man schon mal einige Deutsche im Dorf rumlaufen hat sollten die gefälligst auch helfen! Also haben wir Germans fleißig amerikanisches Bier ausgeschenkt und immer mal wieder „Prost“ in die Runde der anstoßenden Amis gerufen! Insgesamt ein richtiges cooles Fest, leider ohne deutsche Schlagermusik, aber dafür mit vielen coolen Leute und Country Künstlern und das Trunkenheitslevel war dem auf dem Oktoberfest in München erschreckend ähnlich. Hat Lauren toll organisiert!


Am Tag darauf bin ich mit meiner Fam noch zur Possum Patch gefahren, wo Rob (mein Hostdad) mit seinen Kollegen ehrenamtlich gearbeitet hat. Das ist eine Art Bauernhof mit vielen Tieren, Rutschen, einem Tante Emma Laden und vielen Leckereien.





mein Host Bro Grant im Hintergrund im Heu
Dann stand mein bisheriges sportliches Highlight an! Uns kam die Schnapsidee (literally) in unserer Stammbar im Babalous Tickets für das Playoff Baseball Game der St. Louis Cardinals gegen die Atlanta Braves in St.Louis zu kaufen. Wieso Schnapsidee? Playoff Tickets sind oftmals ziemlich teuer. Nachdem ich aber schnell gecheckt habe, dass die Karten im Preisrahmen liegen, wurden die Tickets innerhalb von Sekunden über „Vivid Seats“ gebucht (sehr empfehlenswert) per Apple Pay ( https://www.deutsche-bank.de/pk/lp/apple-pay.html?kid=i.9460.90.70 ) bezahlt. *Paid partnership with Deutsche Bank AG*
Für mich war Baseball bislang immer ein sehr zäher und langweiliger Sport. Stundenlang rumhocken, teure Hotdogs essen und ein actionloses Sportereignis ansehen. Schon mal vorweg: FALSCH GEDACHT! JEDER in Olney, Southern Illinois oder MidWest ist übrigens glühender St. Louis Cardinals Fan. Nach Siegen der Cardinals gibt es Auto Korsos, viele Menschen gehen mit „Go Cardinals“ ans Handy und jeder trägt Caps mit dem mystischen STL.
Nachdem Lauren mich und die Mädels mit Shirts ausgestattet hat und Momo mit seinen 2,20m in die Klamotten meines Hostdads reinpasste ging es los gen Westen.

Okay zum Spiel: Baseball ist vergleichbar mit Brennball aus der Grundschule. Ein Putter wirft den Baseball zu seinem Teammate dem Catcher, der die Dinger fangen soll. Soweit so gut; wäre da nicht der Hitter (gegnerisches Team) mit dem Baseballschläger, der die Bälle möglichst bis nach Meppen schlagen soll um einen HOME RUN zu erzielen. Trifft der Hitter den Ball läuft er los, je nachdem wie weit der Ball fliegt, bis zur ersten Base (safer point), zweiten Base (safer point), dritten Base (safer point) und dann zurück zum Ausgangspunkt (Home). Ist ein Spieler an seinem Ausgangspunkt angelangt gibt es einen Punkt. Gespielt werden neun Innings (Sätze) und jedes Team stellt 3 Hitter pro Inning. Weitere Ausführungen würden den, eh schon viel zu langen, Artikel unnötig verlängern. Interesse? -> Baseballexplained




Apropos Cardinal. Mein Buddy Enrico hat smarterweise folgende Frage gestellt: Hä Niko das Football Team in Arizona heißt doch auch Cardinals- wie kann es sein das der Cardinal im Mittleren Westen und an der mexikanischen Grenze lebt?

Das Spiel was wir uns angeguckt haben war ein Playoff Spiel also schon eins was mit Viertelfinale Champiogns League vergleichbar wäre. Es wurde best of 3 gespielt, heißt es gibt maximal 5 Spiele, solange bis ein Team 3 Spiele gewinnt.

Unser Spiel war übrigens auf einen Montag gescheduelt und Spiebeginn war um 2:07 p.m. sprich normale Leute müssten eigentlich arbeiten aber trotzdem war das Stadium irgendwann gut gefüllt. Das Spiel ging nach 9 Innings und einem Stand von 2:2 in die overtime und im 11 Inning gewannen die Cardinals 3:2! Was ein Game sage ich euch! Damit war die Serie mit 2:2 ausgeglichen und das entscheidende fünfte Spiel in Atlanta gewannen die Cardinals dann deutlich mit 13:1! GO CARDINALS schreie ich jetzt übrigens immer random durch die Gegend.


Außerdem war diese Woche Homecoming week, d.h. alle in Olney aufgewachsenen und weggezogenen Menschen kommen heim und feiern gemeinsam.
Es gab eine Parade:



Soccer Coach
Wir haben letztens unser erstes Spiel gewonnen! 6:4 war das Ergebnis und meine Schwester Nora hat sogar zwei Tore geschossen! Da ist der große Bruder/Coach stolz! Einfach beachtlich zu sehen wie schnell die Kiddos dazu lernen und sich von Spiel zu Spiel verbessern! Ein Unterschied zu deutschem Fußball ist, dass wenn sich ein Spieler verletzt ich immer „Take a knee“ ins Feld rufe. Alle Spieler knien sich dann, aus Respekt dem verletzten Spieler gegenüber, nieder. Musste ich auch erst lernen.


Übrigens wird bei so ziemlich jedem Sportereignis (College Basketball, High School Football und High School Volleyball) die Nationalhymne vor dem Spiel gespielt. Also Hand aufs Herz, zur Flagge drehen und genießen!
Die Rehpopulation hat sich hier rasant vermehrt und letztens auf dem Nachhauseweg sind mindestens 12 Rehe vor mir auf der Straße gewesen. Nachdem ich gehupt habe sind sie dann auf Feld gelaufen – in die Arme der Kojoten, die gibt es hier nämlich auch! Jeden Abend heulen die Kojoten los und ab und zu faucht auch eine Bobcat (Luchs) im Garten.





I’ll keep you posted ladies and gents,
sincerely euer Niko