Als ich beim Abendessen mit den Worten „I’m thinking about going on a roadtrip tomorrow, but I don’t know where to“ verzweifelt nach Reisetipps gesucht habe, wusste ich tatsächlich noch so gar nicht, wo und vor allem ob ich wirklich alleine weiter wegfahren will. Meine Gasteltern haben mir einige Tipps gegeben, wo ich denn hinfahren könnte, aber irgendwie war nichts dabei, was mich so auf Anhieb überzeugt hat.
Nach dem Abendessen bin ich dann zu Walmart gefahren, um Mountain Dew und Müsliriegel zu kaufen, für den Fall, dass ich am nächsten Morgen wirklich wegfahre. Immer noch unentschlossen, ging es danach zu Kathi, um einen Film zu gucken – allerdings habe ich eher das Internet nach Orten im 500-Meilen-Umkreis durchforstet. Warum überhaupt alleine wegfahren? Seid ihr nicht immer zusammen unterwegs? Well, einer ist auf Hawaii, und die anderen drei hatten noch Abschlussprüfungen.
Was gegen einen Roadtrip alleine gesprochen hat:
- Sprit und vor allem Unterkunftkosten sind verdammt hoch, wenn man alleine unterwegs ist, und nichts aufteilen kann
- Datenvolumen war aufgebraucht, außer WhatsApp und ab und zu Maps hat nichts funktioniert
- Man kann eh nicht so viel googlen, wenn man selbst fahren muss, und sieht nicht, was es gerade so in der Nähe zu sehen gibt
- Ich habe das Wäsche waschen bisschen vernachlässigt und hatte ungefähr noch saubere Klamotten für einen Tag und nachts will ich ja auch nicht den lauten Trockner anschmeißen
- Mein Auto
Was für einen Roadtrip alleine gesprochen hat:
- stundenlange Autofahrten mit meinen Lieblingsliedern
- Keiner beklagt sich über zu warm, zu kalt, Hunger, Durst, Pipipausen, Fahrweise, Musikgeschmack, Motorkontrolllampe, spontane Stopps und Routenänderungen
- Dinge sehen und machen, auf die die anderen eh keinen Bock hätten
- Vertrauen zwischen mir und meinem Auto stärken
- Was will ich so lange in Olney machen?
Auf dem Heimweg habe ich dann entschlossen, am nächsten Morgen aufzubrechen, irgendwo in Richtung Südwesten. Um meine Gasteltern noch wissen zu lassen, dass und wohin ich wegfahre, bin ich um 7 aufgebrochen. Mit den Worten „Ich hoffe für dich, dass du mal das Öl in deinem Auto gecheckt hast“ wurde mir dann auch eine gute Reise gewünscht.
Ohne Navi ging es dann erstmal Richtung St. Louis – den Weg kenn ich mittlerweile – und nach ein bisschen Stress mit dem Fahrbahnen und Interstates wechseln (bei mehr als zwei Spuren bin ich aufgeschmissen), bin ich für ungefähr 3 Stunden auf derselben Interstate geblieben.
Meine Eltern wollten mit mir facetimen, weshalb ich bei einem Mc Donald’s Pause gemacht habe. Diese WLAN-Möglichkeit habe ich natürlich auch mal genutzt, um zu schauen, wo ich denn eigentlich gerade bin. Irgendwo mitten in Missouri, alrighty. Nach kurzem googeln habe ich mich dann dazu entschieden, in den Ozark National Forest in Arkansas zu fahren. Schnell ne Unterkunft gebucht und zwei Orte auf dem Weg dorthin rausgesucht, die ich besuchen bzw. bewandern wollte, um dann in die entsetzten oder eher besorgten Gesichter meiner Eltern zu schauen. „Was machst du denn so weit von Zuhause weg?“ „Warum bist du denn alleine?“ „Pass auf, dass du immer genug Öl hast.“ „Ja, dann schreib halt immer mal, damit wir wissen, dass du noch lebst.“ Nach dem ich dann aufgelegt hatte, habe ich erstmal das Öl gecheckt. Das habe ich in Deutschland nie gemacht, auf diesem Trip wurde es zur täglichen Routine.
Nach einem Beweisfoto vom Ölstand mit genügend Öl dran, ging die Reise dann weiter – mit Navi, um wenigstens in die Nähe meiner Unterkunft zu kommen. Erst noch ein paar Meilen auf der Interstate, dann auf normalen Landstraßen. Und da fing das ganze dann an: Ich war mitten in den Ozark Mountains, als mehr oder weniger Wahl-Illinoisaner waren die Berge und Bäume schon ziemlich faszinierend (eher mit der Rhön vergleichbar), weshalb ich bei jedem Aussichtspunkt angehalten habe, um Fotos zu machen. Dabei habe ich einmal aus Versehen die Maps-App geschlossen und zack – war ich verloren, denn es gab absolut keinen Empfang. Ich hätte also nicht mal die 911 anrufen können. Zum Glück war der Tank voll und das Öl auch eben erst gecheckt, denn auf meiner etwa 2-stündigen Irrfahrt sah ich kaum Häuser, und wenn, dann sahen sie ziemlich verlassen aus, keine Tankstellen, und wenn, dann waren sie verlassen, und nicht mal 10 andere Autos. Wo war ich bitte gelandet? Irgendwann gab es dann aber mal ein Schild mit dem Ort, wo meine Unterkunft war. Ich war gerettet und musste nur noch knapp 20 Meilen fahren. Der Tag war damit aber gelaufen, denn es war zu spät, um noch zu den beiden Orten zu fahren, die ich eigentlich sehen wollte. Dafür sah ich Elche. Ich dachte, es seien Pferde, aber später habe ich dann herausgefunden, dass es tatsächlich Elche waren, die dort irgendwann mal hingebracht wurden und jetzt eine riesige Herde bilden. Hätte ich das gewusst, hätte ich natürlich ein Foto gemacht. Vielleicht brauche ich doch eine Brille.
Zu der Unterkunft: Es war zu spät, ein Airbnb zu buchen, weshalb ich mich dafür entschieden habe, eine Nacht in einem typisch amerikanischen Motel zu verbringen. In Filmen werden dort Drogen gedealt, Leute umgebracht oder Menschen machen andere komische Dinge. Von außen sah das Ganze aber doch ganz nett aus, und ich konnte direkt vor meinem Raum parken. Fernseher hat funktioniert, Dusche auch, Klo leider nicht, aber das konnte ich fixen, und die Tür ging auch nicht abschließen, sondern nur verriegeln, aber trotzdem war ich zufrieden, mit meinem Schrotti-Auto nach etwa 9 Stunden Fahrt und etwa 800km angekommen zu sein.
Vor dem Einschlafen googelte ich erstmal, was man eigentlich macht, wenn man mit dem Auto liegen bleibt. Ob man die Polizei rufen muss, ob man ein Warndreieck braucht usw. Dabei habe ich gelernt, dass man etwas weißes sichtbar ans Auto hängen soll, damit Leute erkennen, dass man Hilfe braucht. Naja, lieber spät wissen, als nie wissen.
Am nächsten Morgen ging es dann, nachdem ich Öl aufgefüllt habe, etwa 55 Meilen zurück zu dem Ort, wo ich dann dank Recherche nochmal Elche schauen wollte. Auf dem Weg dorthin lag allerdings ein kleiner Wanderweg, den ich noch gehen wollte, da er zu einer Sehenswürdigkeit in Arkansas geführt hat. „Glory Hole“ heißt das Ganze und ist ein Wasserfall, der sich seinen Weg durch einen Felsen gesucht hat. Internet gab es wieder keins, weshalb ich eine ausgedruckte Wegbeschreibung vom Besucherzentrum irgendwo mitgenommen hatte. Während der ungefähr einstündigen Wanderung ist mir keiner entgegen gekommen – bis ich zurück auf dem „Parkplatz“ war. Der Parkplatz hatte Platz für drei Autos und war eigentlich mehr Straße als Parkplatz. Das Wetter war zwar eiskalt, aber die Sonne hat geschienen, weshalb ich mich, vor dem Elchwatching, noch für einen andere kurze Wanderung zu einem anderen Wasserfall entschieden hatte. Warum ich immer nur kurze Wanderungen machen? Meine Kondition hat dank amerikanischer Ernährungsweise und co. ziemlich nachgelassen, es gibt kein Internet für Notfälle und vor allem habe ich keinerlei Orientierung – würde also vermutlich nie nochmal zurückfinden.
Ich bin wieder ungefähr eine Stunde gelaufen und Menschen habe ich wieder keine gesehen. Danach ging es zum Besucherzentrum für die Elche. Was ich dort erfahren habe? Die sieht man nur morgens und abends nachdem die Sonne aufgeht bzw. bevor sie untergeht. Na toll, alles umsonst gefahren. Ich bin trotzdem ein bisschen rumgelaufen, in der Hoffnung, Elche zu sehen, als mir plötzlich auffällt, dass ich meine Wanderschuhe gar nicht anhabe, sondern Vans. Relativ panisch habe ich überlegt, wo meine Wanderschuhe sein könnten, die ich trotz 2kg Gewicht von Deutschland mit hierher genommen habe, als mir einfiel, dass sie noch am Parkplatz von der letzten Wanderung sein müssen. Dort habe ich nämlich auf dem Fahrersitz mit offener Tür Schuhe gewechselt und dann vermutlich einfach die Tür zugemacht und bin losgefahren. Dank der niedrigen Besucherfrequenz standen meine Schuhe dann noch dort, und ich konnte die Reise zur letzten Station des Tages anbrechen: Mount Magazine, höchster Punkt Arkansas. Dort stehen überall Schilder, dass man keinen Essensmüll liegen lassen soll, weil es dort Bären gibt. Allerdings habe ich keine gesehen. Das einzige, was ich gesehen habe, waren Eichhörnchen – und eins davon habe ich aus Versehen überfahren.
Im Dunkeln ging es dann durch den Ouachita National Park nach Hot Springs. Ich empfehle übrigens keinem, im Dunkeln durch Berge zu fahren. Meine Autoversicherungsapp hat mir fürs Bremsen für die Strecke 0 Sterne gegeben.
In Hot Springs hatte ich ein airbnb gebucht. War halbwegs in Ordnung. Am nächsten Morgen stand dann wieder eine kleine Wanderung an, und danach habe ich versucht, die heißen Quellen in Hot Springs aufzuspüren, allerdings relativ erfolglos. Habe nur grüße Grütze aus der Wiese rausbrodeln sehen. Hot Springs ist bekannt für seine hot springs, und dort reiht sich Badhaus an Badhaus, da dem Wasser früher sowie heute heilende Wirkung zugesagt wird. Typisch Touri habe ich natürlich auch eins gesucht, und habe mich zwischen warmen und heißen Pools hin und her geschleppt, bis mich ein Opi gefragt hat, ob ich bei Wafflehouse arbeiten würde. Das habe ich natürlich verneint, und er hat sofort gemerkt, dass ich nicht aus Amerika komme. Nach einem kurzen Gespräch über Frankfurt und Apfelwein aus Sachsenhausen musste ich mich aber leider verabschieden, denn das Wasser war mir ein bisschen zu warm und ich hab mich gefühlt, als würde ich gleich ohnmächtig werden. Stand ja nicht ohne Grund überall, dass man nicht länger als 5 Minuten in dem Becken bleiben soll…
Danach ging es nach Little Rock, Hauptstadt von Arkansas. Bill Clinton kommt aus Arkansas, weshalb es dort das Bill Clinton Museum mit Bücherei gibt. Bill Clinton hat mich dann eher weniger interessiert, allerdings gibt es dort einen originalgetreuen Nachbau des Oval Offices (da wo der Präsident arbeitet, Verträge unterschreibt oder im Fernsehen zu sehen ist) sowie des Kabinettsaals. Irgendwie war ich auch hier fast alleine im Museum – scheinbar ist es nicht so die Jahreszeit, um Urlaub in Arkansas zu machen. Nach einem obligatorischen Abstecher zum State Capitol ging es dann zu meiner Unterkunft. Ich hatte mittags ein Bett in einem 12er-Schlafsaal gebucht. Gut und günstig, hatte ich gehofft. Das Gebäude war früher eine Feuerwehrhaus, und ist heute Museum und Hostel. Beim Einchecken wurde mir gesagt, dass ich das 12er-Zimmer wohl für mich alleine haben werde. Einerseits war ich froh, andererseits auch traurig, denn eigentlich hatte ich mich darauf gefreut, mit Leuten aus aller Welt zu sprechen. Aber gut. Wie sich dann herausgestellt hat, hatte ich nicht nur das Zimmer, sondern das Ganze Hostel für mich alleine. War ganz schön ruhig und gruselig. Nachdem ich drei Tage nur von meinen Walmart-Käufen von sonntags gelebt habe (Müsliriegel, Äpfel, Mountain Dew und Honey Buns), habe ich mich dafür entschieden, in Little Rock Essen zu gehen. Nachdem ich ungefähr die Speisekarten aller Restaurants im Internet angeschaut hatte, hatte ich mich für Skinny J entschieden – eine lokale Restaurantkette. Dafür musste ich über die Brücke zur anderen Stadtseite fahren, und das war die schlimmste Fahrt auf meinem ganzen Trip! Ich musste, wie auf der Autobahn, auffahren, allerdings wurde ich nicht reingelassen und vorne sah ich schon, dass die Brücke gleich schmaler wird. Naja, irgendwann hat’s dann doch geklappt, aber heimzus habe ich mir eine andere Brücke ausgesucht.
Nach dem Frühstück und einem kurzen Plausch mit der Besitzerin ging es dann für mich zurück nach Hause, denn um 16 Uhr stand eine Weihnachtsfeier vom College an. Jap, ich bin tatsächlich deswegen nach Hause gefahren, ansonsten hätte ich noch zwei Tage mehr wegbleiben können. Die Heimfahrt hat wieder ungefähr 8 Stunden bzw. 500 Meilen bzw. 800km lang gedauert, und ich war schon ziemlich traurig, dass ich wieder zurück musste. Die 8 Stunden nach Arkansas vergingen wie im Flug, aber heimzus konnte mich nicht mal das Hörspiel von Weihnachtsmann & Co. KG richtig motivieren. Nach 4 Stunden Johnny Cash und Elvis Playlist, ein bisschen Bring me The Horizon zum Speeden und dem Ärzte-Livealbum war ich dann wieder zurück im mehr oder weniger geliebten Illinois. Dort habe ich dann noch die falsche Abfahrt genommen, und durfte zwei Stunden anstatt einer durch Südillinois gurken, bevor ich beim Wichteln eine Trinkflasche bekam.
Fazit: Ich bin super stolz auf das Auto und mich. Ich hätte ja wirklich niemals gedacht, dass ich wieder ohne größere Vorfälle nach Hause komme und war froh darüber, dass mich manche Leute auf meiner Reise getrackt haben. Mein Not-Öl-Kanister aus dem Kofferraum ist leer, allerdings ist der nächste Ölwechsel dank des spontanen Roadtrips eh längst überfällig. Mir wurde gesagt, weil das Auto so alt ist, soll ich alle 3000 Meilen einen machen, bin jetzt halt seit dem letzten über 4000 Meilen gefahren. Der nächste Roadtrip wartet! Und notfalls auch alleine…