Ich habe natürlich extra so viele Einträge geschrieben, sodass der Weihnachtspost die Nummer 24 hat – nicht. Dieser Blogeintrag klingt übrigens wie das Tagebuch eines Fresssüchtigen.
Schon gleich im August wurde ich von meiner Gastfamilie gefragt, ob ich an Weihnachten mit nach Chicago kommen will, um Weihnachten bei den Eltern meiner Gastmutter zu verbringen. Natürlich habe ich ja gesagt, und auch noch zugestimmt, dass ich ein paar Tage davor Neffen und Nichten babysitten will und auch mit nach Wisconsin Dells in einen Wasserpark namens Great Wolf mitkommen würde.
Am 19. Dezember ging’s dann Richtung Norden, und auf dem Weg dorthin wurden noch einige Geschenke gekauft. Die erste Nacht haben wir bei den Eltern meiner Gastmutter geschlafen. Wider Erwarten hatte ich ein ganzes Zimmer für mich alleine – Luxus pur! Nach einem Sandwich, was aber irgendwie ein Burger war (hab das immer noch nicht gerafft, dass Sandwiches manchmal einfach Burger sind) in einem der Lieblingsrestaurants ging es dann relativ früh ins Bett. Am nächsten Morgen ging es in den Kindergarten/Grundschule von den Neffen und Nichten, denn dort wurde ein Weihnachtsprogramm aufgeführt. Kleine Stöpsel im Alter zwischen vermutlich 5 und 8 haben dann also ziemlich aufgeregt ein paar Weihnachtslieder gesungen.
Danach ging es, richtig geraten, wieder essen. Diesmal hatte ich einen griechischen Wrap und somit den ersten Feta-Käse seit Monaten! Beim anschließenden kindersitten durfte ich dann Monopoly spielen und Lebkuchenhäuser verzieren. Das hat auf jeden Fall Spaß gemacht!
Gegen Abend ist dann noch der Rest meiner Gastfamilie gekommen, und wieder hatte ich – wider Erwarten – einen Raum für mich alleine! Eigentlich hatte ich damit gerechnet, eine Woche auf dem Sofa oder auf dem Boden zu verbringen… Wie schon in den letzten Blogeinträgen zu sehen ist, wird Weihnachtsdekoration hier sehr ernst genommen. Deshalb gibt es Listen von Häusern in Chicago, die besonders viel oder „schön“ geschmückt sind. Die sind wir dann abends also abends mit vier Stöpseln, meinem Gastbruder und meiner Gastmutter abgefahren. Ich habe den Eltern Zuhause schon angedroht, dass es nächstes Jahr auch bunte Lichterketten geben wird.
Zuhause wurde dann noch versucht, Alexa dazu zu bringen, deutsche Weihnachtslieder zu spielen. Hat aber nicht so ganz geklappt, denn sie hat einfach irgendwelche englischen Lieder gespielt. Beim „Shut up, Alexa“ war es dann auch für mich Zeit, mal wieder schlafen zu gehen. Achso, da hätte ich ja fast vergessen, dass es schon wieder Essen gab: Tacos!
Am nächsten Morgen war dann der große Tag gekommen: Es ging Downtown, also in die Stadt, mit all den Kindern. Mein anderer Gastbruder kam dann auch noch mit Familie, weshalb wir uns dann mit sieben Kindern und sieben Erwachsenen auf den Weg machten. Geparkt wurde in Chinatown, um dann mit dem Zug in die Stadt fahren zu können. Die blaue Markierung an den Fahrsteigen (in Deutschland gelb) hat wohl magische Anziehungskraft, denn die musste trotz Warnung erstmal berührt werden.
Macy, ein riesiges Kaufhaus in den USA, hat in Chicago ganz viele Schaufenster, die in der Weihnachtszeit voll mit Weihnachtsgeschenken und -inspirationen sind. Die wurden natürlich alle mitgenommen, bevor es anschließend in das Kaufhaus hineinging. Tradition meiner Gastfamilie ist nämlich, dass sich jedes Kind (ich durfte auch!) ein Weihnachtsornament (Christbaumanhänger) aussuchen darf, egal wie hässlich, das dann nächstes Jahr aufgehängt wird. Nach einem Besuch bei Starbucks (jeder hier liebt Starbucks), gab es dann einen Snack bei Mc Donald’s, einfach weil das mit der Herde an Kindern am einfachsten war. Da hatte ich natürlich kein Problem mit. Danach ging es dann noch zur Bohne, die ja mehr oder weniger ein Wahrzeichen von Chicago ist. Nach ein paar Fotos ging es dann mit einem Umweg am Lake Michigan vorbei wieder nach Hause, wo es dann Pizza zu essen gab. Und mein Gastopa hatte einen ganz feinen Stoff da: Radler! Es hieß zwar nicht Radler, sondern Bier mit Zitronengeschmack oder sowas, und hatte auch eher Prozente wie ein Bier, aber das hat sooo gut geschmeckt! Schande über mein Haupt, aber der Begriff Radlertrinker ist hier vermutlich kein Schimpfwort, also alles gut.
Am nächsten Morgen bin ich voller Erwartungen ins Wohnzimmer gestürmt, denn es war mein Geburtstag. Auf dem Weg nach oben ist mir dann aber wieder eingefallen, dass Geburtstage hier abends gefeiert werden. Auf den 3 Stunden Fahrt zum Wasserpark hatte ich dann aber genügend Zeit, beim Lesen der Glückwunschnachrichten ein bisschen Heimweh zu bekommen. Dank Mittagessen in einem Restaurant mit mongolischem Grill (alle Zutaten sind roh, man sucht sich Nudeln, Reis, Fleisch, Gemüse, Soßen und so weiter aus und bringt sie dann zum Grill, wo sie gebraten werden) war aber alles wieder gut.
Im Wasserpark angekommen habe ich mich dann erstmal im Whirlpool aufgewärmt (waren ja nur 27 Grad in der Halle, und 15 draußen, also absolut kein Winterwetter) und mir das Ganze angeschaut. Ich hatte extra ein Buch zum Entspannen gekauft (lese ungefähr ein Buch im Jahr, und das meistens um Weihnachten rum), allerdings war es viel zu laut und voll. Nach dem Abendessen (wieder Tacos) kam dann plötzlich meine Gastmutter mit Geburtstagskuchen rein und alle haben angefangen zu singen. Das kam völlig unerwartet, weshalb ich mich umso mehr gefreut habe. Danach sind alle außer mein einer Gastbruder und mein Gastvater und ich noch mal in den Wasserpark gegangen. Aus dem Witz „do a shotgun“ oder einem Snap „You’re with your hostbrother? Tell him he has to show you how to shotgun a beer!“ Wurde dann Ernst, und nach viereinhalb Monaten in den USA stand mein erstes Mal Dosenstechen bevor! Ich wusste zwar nicht, ob in meinem Magen genügend Platz ist, um eine Dose Bier in Sekundenschnelle dort reinlaufen zu lassen, aber gut. Um keine Sauerei zu machen ging es also auf den Balkon. Aus Angst, meine Zähne zu verlieren, und die Arztrechnung nicht bezahlen zu können, durfte mein Gastbruder die Dose aufbeißen. Nachdem er mir dann gezeigt hat, wie ich die Dose halten muss, und er es in gefühlt einer Sekunde ausgetrunken hat, war ich dran. Mein Gastvater wollte das Ganze aufnehmen, aber aus Angst, ich würde alles verschütten, hatte ich dankend abgelehnt. Ohne auch nur einen Tropfen zu verschütten hatte ich es dann aber geschafft! Bestes Geburtstagsgeschenk ever – jetzt fehlt nur noch mein Handstand auf einem Bierfass wie in Filmen, der eigentlich der Grund war, nach Amerika zu kommen.
Nach einem Eggmuffin am nächsten Morgen (ist kein Muffin, eher sowas wie ein Burger, vergleichbar mit McMuffin bei Mc Donalds, eben mit Fleisch, Käse und Ei zwischen den Buns) ging es dann in den Wasserpark. Wichtigste Frage an diesem Morgen: Wie viel Bier will jeder mitnehmen? Wir hatten nämlich eine Cabana, also eine Art Pavillon im Wasserpark mit Kühlschrank, Fernseher und Sitzmöglichkeiten. Es war dann vielleicht nicht die beste Entscheidung, nach mehreren Biers in die Trichterrutsche zu gehen, aber was solls. War ja lustig. Nach Spaghetti Bolognese am Abend ging es dann in den Arcade Room und anschließend noch zum MagiQuest, einer Art Schatzsuche mit interaktiven Zauberstäben.
Am nächsten Morgen, also dem 24., gab es dann Pancakes mit Würstchen, weird, bevor es nach einem kurzen Besuch in einer Shopping Mall und in einem Käseladen (Wisconsin ist bekannt für Käse, weshalb auch die Fans der Green Bay Packers Cheese Hats genannt werden oder eben Käsehüte bei Spielen tragen), ging es zurück nach Chicago. Nach einem Essen im chinesischen Restaurant (bin immer noch kein Fan davon und bestelle immer nur gebratene Nudeln) ging es dann noch in die Christmette. Das Ganze war in einer katholischen Kirche, der Ablauf der Messe war ungefähr gleich wie in Deutschland, aber trotzdem soooo anders. In Deutschland wird sich hingesetzt und vielleicht getuschelt, wer denn schon ne neue Winterjacke hat oder noch die von vor drei Jahren trägt, aber hier wird einfach ganz normal geredet, am Handy gespielt und so weiter. Die meisten Lieder, die gesungen wurden, kannte ich von der Melodie her, nur der Text war eben anders. Selbst das Brot hat anders geschmeckt! Wie ist das möglich, wenn das Ganze fast nur aus Mehl und Wasser besteht?
Weihnachten wird hier am 25. gefeiert, Santa Claus kommt also nachts und Geschenke gibt es eigentlich morgens. Allerdings hatten wir schon eine kleine Bescherung im Wasserpark, weil mein einer Gastbruder mit Anhang früher abgereist ist. Das heißt also, das wir erst mal Frühstücken waren, bevor es weiter ging. Ob ich noch Hunger oder Appetit verspüren konnte? Nein. Meine Pancakes konnte ich leider nicht aufessen.
Jeden Tag erweitert sich die Liste von Filmen, die ich laut meiner Gastfamilie verpasst habe und unbedingt schauen muss (Beerfest, Top Gun, Super Troopers, Grease und Star Wars sind mit dabei), und so auch an diesem: A Christmas Story. Ist vermutlich so wie Familie Heinz Becker in Deutschland, wo den ganzen Tag der Weihnachtsbaum umfällt, denn hier läuft A Christmas Story (auf deutsch heißt er Fröhliche Weihnachten) 24 Stunden lang auf einem Programm! War also dann nicht so schwierig, diese Bildungslücke aufzuholen, und den Film über Ralphie, einen Jungen der unbedingt ein Luftgewehr zu Weihnachten haben will, zu schauen. Während des Films gab es dann doch noch eine kleine Bescherung, bei der ich erstmal Krombacher, Rittersport und Milka auf den Tisch gestellt habe. Krombacher habe ich im Liquor Store in Olney gefunden habe. Die Schokolade hatte mir meine Eltern als Geschenk für mich zugeschickt. Aber gut, ich teile ja gerne. Mein Gastbruder hat noch extra scharfes Popcorn bekommen, und meinen Gasteltern habe ich Socken mit ihren Hunden drauf geschenkt. Ich fand’s lustig, schließlich klauen die Hunde die Socken ja auch immer…
Neben einer ADAC Straßenkarte von den USA, falls ich mal wieder lost gehe, einem Tankgutschein und Geld gab es dann noch eine Kratzkarte von den USA, auf der man die Staaten, die man besucht hat, freikratzen kann.. Dieselbe hängt allerdings schon seit etwa zwei Wochen in meinem Zimmer. Nachmittags kamen dann noch die restlichen Verwandten (nochmal 9 Kinder), und nach einem Abendessen mit Rosenkohl, Kartoffelnbrei, Maisauflauf und Braten ging es dann zum Dirty Bingo. Jeder bringt irgendwelche Geschenke mit (ein paar Sachen wie Oma-Unterhosen oder hässliche Deko gehen seit Jahren umher) und mit Karten wird dann entschieden, wer sich eins aussuchen darf. Das geht so lange, und es darf so lange von anderen geklaut werden, bis keine Karten mehr da sind. Danach darf ausgepackt werden.
Nach dem Nachtisch ging es dann für mich nach Hause. Meine Gasteltern sind noch einen Tag länger geblieben, aber ich wollte mal Zuhause ausschlafen, denn am 27. geht es für mich schon wieder weiter: Die Silvesterreise nach New Orleans steht an. Auf dem vier Stunden langen Heimweg habe ich dann meinen Gastbruder darum gebeten, mir bitte ein bisschen typisch amerikanische Musik zu zeigen. Dabei kam dann entweder Country-Musik von Luke Combs raus (ich kann’s bald nicht mehr hören), irgendwelche abgefahrenen Partylieder oder einfach Klassiker, die selbst ich kannte.
Über die Feiertage habe ich also bestimmt 5 Pfund zugenommen und kann gar nicht mehr an Essen denken. Trotzdem war es mal eine ganz andere Erfahrung, Weihnachten in Amerika zu feiern! Die Frage ist jetzt nur: Wer wäscht meine Wäsche die sich in einer Woche in meinen drei Rucksäcken angesammelt hat?
kommst du dir nicht langsam vor wie eine zigeunerin, die heute hier und morgen da ist? es ist gut, dass du die reiseberichte schreibst – so geht nichts verloren spaeter in deiner erinnerung.
herzliche gruesse
agnes