Wo fange ich am besten mit meinem Lebenslauf an? Nach zwei Jahren Kindergarten ging es in die Grundschule, nach der ich nach 4 Jahren und zwei Klassenkameraden (jap, zwischenzeitlich waren nur 13 Kinder in der Schule) tatsächlich auf eine weitergehende Schule gehen durfte – ok genug – das ist nicht so relevant. Wie auch immer, letztes Jahr hab ich die Ausbildung abgeschlossen und bin im selben Jahr für ein Jahr in die USA gegangen. Ob das sonderlich schlau war? Glaube nicht, denn hätte ich erst mal ein Jahr gearbeitet, dann hätte ich mir keine allzu großen Sorgen um meine täglich schrumpfenden Ersparnisse machen müssen und ich hätte mehr Tage mit Verreisen anstatt mit Weintraubenpflücken bei 40 Grad oder Lakritzekneten verbringen können. Oder ich hätte mehr fürs College machen können, ha.ha.ha..
Wie dem auch sei, seit Oktober sind wir supposed to einen Job zu finden. Die anfängliche Heiterkeit was das angeht begründet durch „ach, hier kennt doch jeder jeden, wir finden hier alle super easy was“ wandelte sich aber, zumindest bei mir, schnell in allgemeinen Unmut, denn spätestens wenn man gesagt hat, dass man nur ein halbes Jahr da sein wird, wurde das Vorstellungsgespräch ziemlich abrupt beendet. Und ja, ich habe mich sogar bei Walmart beworben, aber wurde vermutlich wegen zu hoher Ansprüche, was die Arbeitstage und -zeiten angeht, abgelehnt (anders als in Deutschland haben Supermärkte hier auch sonntags auf, und Walmart ist täglich von 6-24 Uhr geöffnet – neue Mitarbeiter dürfen sich da wahrscheinlich nicht aussuchen, wann sie ungefähr arbeiten wollen, aber ein kleines bisschen Leben wollte ich dann auch noch haben).
Ziemlich verzweifelt gab es dann aber irgendwann im November einen kleinen Lichtblick – mehr oder weniger durch Zufall erfuhr Kathi, dass ein Consignment Store (Second-Hand Laden) in Olney scheinbar immer Leute gebrauchen könnte. Klang pretty good, denn nach einem kurzen Gespräch („Wer ist deine Gastfamilie, wann willste anfangen?“) hatte ich also einen Job sicher, wenn auch nur halbtags.
Ich war allerdings nicht die einzige, die noch keinen Vollzeitjob hatte, weshalb sich unsere College-Koordinatoren mal mit den College-Koordinatoren des verschwisterten Colleges in Verbindung gesetzt haben, die wiederum mal bei Hershey’s in Robinson für ihre Austauschstudenten geworben haben. Nach einem Vorstellungsgespräch gab es erstmal länger nichts zu hören, bis wir dann relativ kurzfristig vorbeikommen sollten, um Arbeitsklamotten anzuprobieren. Wie bitte? Ich dachte, das sei ein Bürojob. Wir haben nie eine schriftliche Bestätigung oder sowas bekommen, weshalb ich mir nicht sicher war, ob das Praktikum bei einem der größten Schokoladenhersteller jetzt sicher ist, oder nicht. Aus diesem Grund habe ich dann Anfang Januar erst mal im Second-Hand-Shop angefangen, wo Ohrringe sortieren und Klamotten aufhängen zu meinen täglichen Aufgaben gehörten. Nein Mutti, nur weil ich hier eine Stunde lang Decken und Kolder falte, werde ich das Zuhause nicht tun! Nach einem Orientierungsseminar bekamen ich und zwei PPP-Teilnehmer aus Robinson dann aber einen Anruf, dass wir bitte am nächsten Morgen um 8 Uhr anfangen sollen. WIE BITTE? Nach nicht mal zwei Wochen musste ich dann also meinen Halbtagsjob zwischen verborgenen Schätzen, Football Merch für 5$ und Ladenhütern ziemlich abrupt beenden, und das, obwohl ich so dankbar war, dass ich dort arbeiten durfte, obwohl bereits bekannt war, dass da noch was anderes nebenher läuft. Meine Mitarbeiterinnen waren so nett und so fasziniert davon, dass ich aus dem weit entfernten Deutschland komme und waren auch interessiert daran, wie es hier so bei mir läuft. Zwischen „Do you have that in Germany, too?“ und „Is there someone special in your life?“ gab es noch so die ein oder andere Witzelei, die die 4 Stunden pro Tag dort wie im Flug hat vergehen lassen.
Ich bin dann also der Quality Assurance, also der Qualitätssicherung, zugeteilt worden. Meine Aufgabe scheint daraus zu bestehen, in den nächsten 6 Monaten eine nicht ganz so kleine Exceltabelle zu erstellen, die ganz viele Vorgänge erfasst und kontrollieren lässt. Vielleicht hätte ich mir das „Gute Kenntnisse im Umgang mit Word, Excel und Powerpoint“ im Lebenslauf genauer überlegen müssen, denn ich sehe es schon kommen, dass ich mit einer Tastaturkombination alles zerstöre. Habe mich nämlich mittlerweile halbwegs an mein MacBook gewöhnt, das ja ein bisschen anders funktioniert als normale Computer – außerdem sind die Tastaturen hier ein bisschen anders – blindes 10-Finger-Schreiben haut jetzt nicht mehr ganz so gut hin. Aber ich bin wirklich gespannt, wie die nächsten sechs Monate so laufen – vielleicht macht mir das Ganze ja ultra Spaß und ich weiß im Sommer endlich, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Haarnetz, Helm, Ohrstöpsel, Sicherheitsschuhe und Arbeitsuniform sorgen außerdem dafür, dass ich mir keine Gedanken um schicke Büroklamotten oder saubere Schuhe machen muss – Jackpot!
Ich hätte aber auch niemals gedacht, dass ich mal satt von Schokolade werde, aber nach der „Qualitätskontrolle“ verschiedener Sorten von Schokolade und Schokoriegeln war dann selbst ich mal soweit, dass ich nichts Süßes mehr haben wollte. Trotz allgemeiner Ablehnung aller gesunden Lebensmittel hatte ich nach den ersten Tagen dann also das Verlangen, in einen Apfel beißen zu wollen. Vielleicht klappt das mit dem dreistelligen Gewicht bis zur Heimreise doch noch!
Für mich wäre es eigentlich einfacher oder eher bequemer gewesen, weiterhin im Second-Hand-Shop zu arbeiten und mir vielleicht noch einen anderen Halbtagsjob zu suchen, denn Robinson, also Hershey’s, liegt 35 Meilen weit entfernt. Das sind 70 Meilen/115km pro Tag, und dank lausiger Landstraße dauert die Strecke einfach etwa 45 Minuten – ich sitze also jetzt jeden Tag anderthalb Stunden in meinem Schrotti-Auto und hoffe, dass wir beide bis Ende Juni durchhalten. Hat jemand Spotify-Playlists, die er/sie mit mir teilen möchte? Bin leider kein Hörbuch-Mensch.
elena – du schaffst das. denke an mein blechschild in meiner kueche.
agnes
Hallo Agnes!
Das Schild habe ich hier übrigens als Poster im Museum gesehen: Das war ursprünglich mal ein Propagandaposter um Frauen für die Rüstungsindustrie zu werben, wird aber heute eher dazu verwendet um zu zeigen, dass Frauen auch alles schaffen können.
Liebe Grüße!