[21] Sweet Home Alabama
Then took a look around to Selma, Alabama
23. November
Endlich Ferien: Die einwöchige Thanksgivingpause hatte begonnen! Die Universität bot für internationale Studenten eine Rundreise durch Alabama an, an der Coline, Manon und ich teilnahmen. Mit Ms. Marine, die die Reise organisierte und begleitete, brachen wir am Samstagmorgen nach Selma, AL auf. Die Stadt war eine wichtige Produktionsstätte für Kriegsgüter während des Bürgerkrieges gewesen und ist bekannt für die Selma-nach-Montgomery-Märsche im Zuge der Bürgerrechtsbewegung, wozu wir das Informationszentrum besuchten.
Martin Luther King, Busboykott, Rassentrennung – wie war das gleich nochmal? Ein Überblick:
- Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts
Nach der Abschaffung der Sklaverei wurden die neugewonnenen Freiheiten für Schwarze durch Jim-Crow-Gesetze beschnitten und die Rassentrennung praktiziert. Es galt: getrennt, aber gleichwertig (separate but equal), allerdings waren die Einrichtungen für Weiße natürlich die besseren.
- 1954
Der Oberste Gerichtshof urteilt, dass die Rassentrennung an Schulen rechtswidrig ist. - 1955 Montgomery, AL
Rosa Parks weigert sich, ihren Sitzplatz für einen Weißen aufzugeben und löst damit einen Busboykott aus, der vom Pastor der Stadt, Martin Luther King Jr., geleitet wird. - 1957 Little Rock, AR
Neun schwarzen Schülern wird der Zugang zu einer „weißen“ Schule verweigert bis Präsident Eisenhower es durchsetzen lässt. - Späte 50er und frühe 60er Jahre
Friedliche Demonstrationen werden oft gewaltvoll niedergeschlagen, besonders in Birmingham, AL, was die Nation schockiert. - 1963 Washington, DC
Auf einer der größten Demonstrationen, dem Marsch auf Washington, hält King seine berühmteste Rede I have a dream (Ich habe einen Traum). - 1964
Der bedeutenste Civil Rights Act (Bürgerrechtsgesetz) tritt in Kraft, der die Rassentrennung aufhebt. Er ist wirkungsvoller als die von 1957 und 1960. - 1965 Selma, AL
Schwarze werden weiterhin gehindert, sich als Wähler einzutragen. Es wird ein Protestmarsch nach Montgomery organisiert, dessen erster Versuch niedergeschlagen wird (Bloody Sunday), der zweite aus anderen Gründen abgebrochen wird, bis der dritte schließlich Erfolg hat.
- 1965
Mit dem Voting Rights Act (Wahlrechtsgesetz) werden die diskriminierenden Wahltests abgeschafft. - 1967
Der Oberste Gerichtshof hebt das Verbot der Mischehen auf, wo es noch besteht.
Im Anschluss schritten wir über die Edmund-Pettus-Brücke, die Startpunkt der Märsche war. Ironischerweise war der Politiker Edmund Pettus ein hochrangiges Mitglied des Klu-Klux-Klans gewesen.
Danach besuchten wir dann den sehr schönen und alten Live Oak Cemetery (Virginiaeichenfriedhof) in der Stadt, auf dem einige hohe Politiker der USA aus dem 19. Jahrhundert begraben liegen.
Auf dem Gelände befindet sich auch eine Konföderiertengedenkstätte mit Soldatengräbern, Flaggen und Kanonen, die die damalige Zeit sehr glorifiziert. So gibt es einen Gedenkstein für John W. Booth, den Mörder Abraham Lincolns, und erst im Jahr 2000 wurde ein Denkmal für den Südstaatengeneral Nathan Bedford Forrest errichtet, der wegen seiner Rolle bei einem Kriegsmassaker und im Klu-Klux-Klan umstritten ist (Kuriosität am Rande: Forrest Gump ist nach ihm benannt).
Nachmittags fuhren wir weiter nach Montgomery, der Hauptstadt Alabamas. Dort wollten wir eigentlich ins Rosa-Parks-Museum, aber wir waren schon zu spät und so besichtigten wir kurzerhand das National Memorial for Peace and Justice, welches an die Opfer der rassistischen Lynchjustiz erinnert. Das Herzstück sind die für jedes County stehenden Stahlquader mit den Namen von über 4400 dokumentierten Lynchopfern zwischen 1877 und 1950, die hauptsächlich in zwölf Südstaaten stattfanden. Es liegen auch bereits für jedes County eine Kopie bereit, die vor Ort aufgestellt werden sollen. Bislang wurde noch keiner aufgestellt, was aber auch damit zu tun hat, dass die Gedänkstätte erst 2018 eröffnet wurde. Ich finde das eine gute Idee und auch sonst finde ich das Mahnmal sehr gelungen.
Bevor es dunkel wurde, schauten wir noch am Staatskapitol Alabamas und an einem Theater vorbei, wo jedes Jahr das Alabama Shakespeare Festival gefeiert wird, was zu den zehn größten Shakespearefestivals der Welt gehört.
B’ham
24. November
Am Sonntag ging es dann weiter nach Birmingham, AL, wo uns Ms. Marine zuerst zum Vulcan führte. Es handelt sich dabei um die größte Gusseisenstatue der Welt, die die Stadt 1904 auf der Weltausstellung in St. Louis, MO repräsentierte. Sie zeugt von der einst florierenden Eisen- und Stahlindustrie der Stadt, woher auch der Spitzname Pittsburgh of the South rührt. Vulcanus war der römische Gott des Feuers und der Schmiede.
Wir bestiegen den Turm auf dem die Statue steht und erhielten dafür einen kleinen Aufkleber mit der Stufenzahl 153, da wir nicht den Aufzug gewählt hatten. Meiner Forderung nach einem zweiten, weil wir beim Abstieg ja auch nochmal 153 Stufen genommen hatten, wurde nicht nachgekommen.
Nachmittags besichtigten wir das Bürgerrechtsmuseum der „Metropole der Rassentrennung“ (Martin L. King). Wie bereits im Überblick erwähnt war Birmingham war ein Zentrum der Bewegung, in der viele Demonstrationen brutal bekämpft wurden. Des Weiteren gab es ziemlich viele Bombenanschläge zu der Zeit, warum die Stadt zeitweise Bombingham genannt wurde.
Das Studium der Schönheiten der Natur
25. November
Bereits am Vorabend waren wir noch weitergereist in den DeSoto State Park, um heute gleich loswandern zu können. Coline, Manon und ich marschierten zweieinhalb Stunden durch den Wald und kamen an zwei kleinen Wasserfällen vorbei. Es war leider schon viel entblättert, aber dennoch sehr schön, zumal wir auch herrliches Wetter hatten.
Wir genossen ein köstliches Mittagessen in einem kleinen Restaurant in Mentone, AL. Das kleine Dorf hatte allerlei kleine Lädchen, die hauptsächlich Kunst und Krempel anboten, bloß alle geschlossen waren, aufgrund der Tatsache, dass Winter oder Montag oder beides war.
Unweit entfernt, betrachteten wir einen weiteren Wasserfall.
Weiter ging es dann zum Little River Canyon, dem tiefsten Canyon östlich des Mississippis. Wir fuhren die Straße, die auf der Kante verläuft, flussabwärts und hielten immer wieder an Aussichtspunkten an, bis die Sonne untergegangen war.
Alabama liegt nicht hinterm Mond, aber der Weg dorthin begann hier
26. November
Am nächsten Morgen wachte ich früh auf und entschloss, nochmal eine Runde zu gehen, wobei ich bei zwei weiteren Wasserfällen vorbeikam und man bei beiden hinter den „Wasservorhang“ konnte.
Nach dem Frühstück fuhren wir weiter und machten einen Zwischenhalt beim Unclaimed Baggage Center. Dieses Geschäft erwirbt liegengebliebenes Gepäck von Fluggesellschaften und verkauft dieses weiter (teilweise kommt es auch aus dem Frachtverkehr). Es ist riesig und hauptsächlich gibt es natürlich Kleidung, aber auch Bücher, Elektronik und vieles mehr. Bei manchen Sachen fragte ich mich, wie man so etwas vergisst und dann nicht abholt, wie zum Beispiel ein Brautkleid oder teure Uhren und Kameras. Wir schlugen ein paar Schnäppchen und weiter gings.
Mittags erreichten wir Huntsville, AL, wo wir das Raumfahrtmuseum besuchten. Hier wurde in den 1960er Jahren unter Leitung des deutschen Wernher von Braun die Saturn-V-Rakete entwickelt, die 1969 die erste bemannte Mondlandung ermöglichte. Im Museum ist der Prototyp der Rakete ausgestellt und noch viele weitere Exponate, zum Beispiel ein Space Shuttle.
Im Hotel angekommen, wollten die beiden Mädels vor dem Abendessen ins hauseigene Fitnessstudio gehen, ich verzichtete. Da ich aber nicht zwei Stunden nur im Zimmer herumlümmeln wollte, lief ich kurzerhand los in die Innenstadt. Der Weg dorthin führte durch den Stadtpark, in dem für amerikanische Verhältnisse relativ viele Menschen unterwegs waren, die trotz der Dunkelheit spazierten und sportelten. An einer Stelle gab es einen Tinsel Trail (Lamettaweg): eine große Weihnachtsbaumaustellung mit vielen toll geschmückten Bäumen, wobei jeder von einem örtlichen Unternehmen oder einer Vereinigung herausgeputzt worden war.
Hier gibt es auch noch ein kurzes Video von einem sogenannten tanzenden Baum – amerikanische Weihnacht, wie man sie sich vorstellt… 😀 (war zu groß, um es hier hochzuladen).
In der kleinen Innenstadt liegt auch die Wiege der ersten alabamischen Verfassung von 1819, inzwischen hat der Staat seine sechste.
Die angesiedelte Industrie, hauptsächlich Raumfahrt, Elektronik und Informationstechnologie, und die dadurch vielen qualifizierten Arbeitsplätze bescheren der Stadt wirtschaftlichen Wohlstand, was man daran ablesen kann, dass Innenstadt und Park schön hergerichtet und gepflegt sind.
Kleindeutschland in Nordalabama
27. November
Am letzten Tag wollten wir noch die weltgrößte Musikbox sehen, aber leider war diese nur temporär errichtet gewesen und somit sahen wir nur noch ein paar Relikte.
Einen weiten Halt legten wir in Cullman, AL ein, benannt nach dem Gründer John Cullmann aus der Pfalz. Aufgrund der deutschen Wurzeln wird jedes Jahr ein Christkindlmarkt veranstaltet, seit 2019 mit der größten Weihnachtspyramide in den USA, weswegen wir da waren. Außerdem findet alljährlich ein Oktoberfest statt, was bis vor ein paar Jahren alkoholtechnisch trocken war – einzigartig in der Welt.
Im Kreismuseum, über dem auch die deutsche Flagge wehte, erfuhren wir noch interessante Lokalgeschichte, aber hätten wir nicht irgendwann ein Ende herbeigeführt, würde die Museumswärterin noch heute reden.
Nachmittags kamen wir wieder in Livingston an. Fünf Tage hatten wir nun unseren Gaststaat erkundet und die Liebe zu ihm verfestigt. Wie ihr sehen könnt, hat Alabama weit mehr anderes zu bieten als die Klischees Rassismus und Inzucht, vielleicht fahrt ihr ja auch mal hin…
Wer wie ich nicht genug von den Schönheiten Alabamas bekommen kann, dem kann ich wärmstens die Instagramseite thisisalabama empfehlen, mit tollen Bildern aus dem Heart of Dixie (leider sind die nicht auch auf deren Internetseite, aber hier kann man wenigstens die neuesten ansehen, ohne sich anmelden zu müssen).