Reading time: 4 minutes.
Period of blog time: Tuesday, November 8th, 2022.
Bei dieser Wahl stand nicht weniger als die Demokratie auf dem Spiel. Klingt dramatisch – entspricht aber der Wahrheit. Viele republikanische Kandidaten vertreten die von Trump verbreitete Lüge der gefälschten Wahlen 2020 und auch Fakten standen bei diesem Wahlkampf eher im Hintergrund, denn vor allem Republikaner versuchten mit Lügen und Falschaussagen Stimmen zu gewinnen. Dies zeigt wie instabil die USA in Sachen Demokratie geworden ist; mit dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 als markantesten Vorfall. Entscheidend waren bei dieser Wahl insbesondere die Stimmen vieler Frauen, da das Thema „Abtreibung“ in vielen Bundesstaaten (auch in Pennsylvania, wo ich aktuell rumhänge) auf dem Spiel stand.
Aber von vorne!
Mit Nervosität und durchaus auch Angst blickte der Rest der freien Welt in den vergangenen Wochen in die USA. Hierzulande standen am Dienstag, den 08.11.2022, die berühmten, alle vier Jahre zur Halbzeit einer Präsidentschaft stattfindenden, Zwischenwahlen (Midterms) an, bei dem der Kongress der USA teilweise neu gewählt wird. Die Wahl gilt als Stimmungstest für die kommende Präsidentschaftswahl in 2024 und entscheidet darüber, wie viel Gestaltungsmacht Joe Biden in den letzten zwei Jahren seiner aktuellen Amtszeit noch haben wird. Aktuell haben die Demokraten in beiden Kammern (Senate und House) die Mehrheit, wenn gleich die Mehrheit im Senat nur sehr knapp ist (eine Stimme). Es bestand also die Gefahr, dass Biden für den Rest seiner Amtszeit eine sogenannte „lame duck“ wird, also jemand der seine Amtszeit nur noch absitzt, aber keinen großen Einfluss mehr auf das politische Geschehen nehmen kann.
Das Parlament in den USA teilt sich, ähnlich wie in Deutschland, in zwei Kammern: das House of Representatives mit 435 Abgeordneten und den Senat mit 100 Abgeordneten (+ Vize-Präsidentin Kamela Harris). Das Repräsentantenhaus wird so gewählt, dass die Bevölkerungsverteilung der USA repräsentiert wird (California mit ca. 40 Millionen Einwohnern stellt 53 Abgeordnete und Wyoming mit ca. 0,5 Millionen Einwohnern nur einen Abgeordneten), wohingegen im Senat zwei Abgeordnete aus allen 50 Bundesstaaten sitzen. Neu gewählt werden jetzt alle 435 Abgeordneten des Repräsentantenhauses und 35 Abgeordnete im Senat.
Historisch wird bei diesen Zwischenwahlen oftmals die regierende Partei – in unserem Fall also die Demokraten – abgestraft. Die Midterms wurden bislang vom Ausland eher weniger stark unter die Lupe genommen, aber dieses Jahr ist alles anders. Die Spaltung in den USA ist so groß wie nie und Kompromisse zwischen beiden Parteien sind kaum noch möglich.
Oftmals wurde die Wahl in deutschen Medien als „Extremismus-Test“ bezeichnet, was meiner Meinung nach ziemlich treffend ist. Die Gefahr, dass autoritäre Kräfte in den Vereinigten Staaten an die Macht kommen ist so groß wie nie. Der Ausgang der Wahlen hat das Potential die ganze Welt, vor allem den Westen, in weitere Ungewissheiten und Unruhen zu stürzen – hmmm – als ob wir nicht schon genügend Probleme hätten ge…
In Europa herrschen Krieg, Energie-, Inflations- und eine nahende Wirtschaftskrise, welche die Folgen der Corona-Pandemie wahrscheinlich bei weitem übertreffen wird. Von der Klimakrise, die aktuell leider in den Hintergrund rückt, ganz zu schweigen.
Jetzt möge man sich überlegen, dass in diesem Chaos unser wichtigster Partner von republikanischen Hardlinern wie Trump und seinen Jüngern gelenkt wird – eine dystopische Vorstellung, die teilweise hätte Realität werden können.
Der von Donald Trump geschürte und befeuerte Extremismus gefährdet Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Die „Make America Great Again“ (MAGA) Bewegung ist dabei, das politische System der USA zu unterlaufen und zu sabotieren.
Hierzu bedienen sich vor allem Republikaner (aber auch in Teilen Demokraten) folgender mehr als fragwürdiger Praktiken:
- Gerrymendering, dem Manipulieren von Wahlkreisgrenzen, um die eigenen Erfolgsaussichten zu maximieren.
- Den Wahlgang so schwierig wie möglich machen.
- Negative campaigning, also die Strategie eine Form von Werbung oder insbesondere politischer Öffentlichkeitsarbeit zu vollziehen, bei der versucht wird, den politischen Gegner in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken, um damit das eigene Ansehen zu erhöhen.
Außerdem muss gesagt werden, dass man sich in den USA, anders als in Deutschland, erstmal zum Wählen registrieren muss und der Wahltermin ein Werktag (immer der erste Dienstag nach dem 1. November) ist, sodass manche Menschen erst spät abends wählen gehen können, da sie tagsüber arbeiten, und dann müssen diese meist noch stundenlang in der Schlange stehen.
Der Furcht vor einer landesweiten „MAGA“ – Welle und einem republikanischen Erdrutschsieg war groß, die den Weg für eine zweite Amtszeit von Donald Trump bereitet. Aufgrund der Tatsache, dass Joe Biden hierzulande sehr unbeliebt ist galt ein Sieg der Republikaner als sicher, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kontrolle über das Repräsentantenhaus holen sollten. Für den Senat hingegen gingen die Umfragen von einem knappen Kopf-an-Kopf Rennen aus, aber auch hier sollten die Republikaner die Oberhand behalten.
Spoiler: Aber zum Glück kam alles anders (hihi), und zwar vor allem auch dank Pennsylvania, also dem Bundesstaat in dem ich aktuell studiere. 🙂
Pennsylvania (PA) ist nämlich ein sogenannter Swing-State, also ein Bundesstaat der mal mehrheitlich demokratisch, mal republikanisch wählt. Bei den Midterms spielte PA die entscheidende Rolle, weil der hiesige Senatorensitz, bisher von einem Republikaner besetzt, besonders hart umkämpft war.
Um Werbung für den demokratischen Kandidaten, John Fetterman, zu machen, war sogar Barack Obama am Samstag bei mir an der Universität in Pittsburgh.
Donald Trump tourte zur gleichen Zeit durch die Vororte von Pittsburgh, was deutlich macht, dass PA wirklich der entscheidende Bundesstaat bei dieser Wahl war.
Ergebnisse
Zwar steht das Endergebnis der Zwischenwahlen immer noch nicht fest, da Anfang Dezember noch eine Stichwahl in Georgia ansteht (kein Kandidat erhielt dort über 50% aller Stimmen), aber es gibt trotzdem schon Grund zum Aufatmen. Der befürchtete Erdrutschsieg der Republikaner ist ausgeblieben, und die Demokraten haben deutlich stärker abgeschnitten als in Umfragen prognostiziert. Zwar sieht es nach aktuellem Stand (13.11.2022 11 PM ET) so aus, als ob die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen, aber deutlich knapper als erwartet. Die Überraschung, mit der nun wirklich niemand gerechnet hat, ist, dass die Demokraten die Mehrheit im Senat (der wichtigeren der beiden Kammern) verteidigen konnten und das sogar ohne das Ergebnis aus Georgia. Präsident Joe Biden ist also mit einem blauen Auge davongekommen. Das liegt u.a. daran, dass sich der einst von einem Republikaner gehaltene Senatorensitz in Pennsylvania blau färbte, da John Fettermann die Wahl zum Senator knapp für sich entscheiden konnte. Ein Sitz im Senat klingt nach „not a big issue“ aber dieser eine Sitz, der nun von rot zu blau geswitcht ist, hat den Unterschied gemacht. Die Staaten Arizona und Nevada brauchten einige Tage zum Auszählen, aber am Samstagabend kamen die erlösenden Nachrichten aus dem Südwesten der USA. Falls die Demokraten die Stichwahl in Georgia in einigen Wochen für sich entscheiden, hätten sie sogar einen Sitz gewonnen. Das gilt jetzt schon als herbe Niederlage für Donald Trump, dessen Kandidaten in vielen Teilen des Landes verloren haben. Nichtsdestotrotz wird Joe Biden in den kommenden Monaten mehr Probleme haben seine Anliegen durch den Kongress zu bringen, Trump wird sich vermutlich trotzdem als Präsidentschaftskandidat aufstellen lassen and we have to stay tuned for more.
PS: Hier habe ich noch einige interessante Links zum Thema „USA“, „Zwischenwahl“ und „Trumpismus.“
Senate Midterm Election Results 2022 | CNN Politics
https://www.cnn.com/election/2022/results/house
https://open.spotify.com/embed/episode/3Z6hscxpt5QIogkmjCFmK0?utm_source=generator&t=0
What candidates are saying in political ads ahead of the midterm elections – Washington Post
So das war jetzt eine kurze Einordnung der Zwischenwahlen aus den USA von mir, einem jungen Herren ohne jegliche Expertise, aber mit großem Interesse.
Danke für Lesen und bis denne!
LG,
Euer Niko