Trips planen mit den Menschen aus Olney ist ja so ne Sache. Der eine kann erst ab da, der andere muss da und da zurücksein und so weiter. Es war also von Anfang an klar, dass Silvester noch einmal ganz andere Dimensionen an Planung annehmen wird. Vor ein paar Wochen oder eher Monaten wurde dann also festgelegt, dass wir Silvester in New Orleans feiern. New Orleans ist eine Stadt im Süden von Louisiana, und somit im Süden der USA. New Orleans liegt also am Golf von Mexico, was beutetet, dass es dort relativ warm ist.
Wochenlang wurde hin und her geschoben, wer mit wem an welchem Tag fährt, wer fliegt und so weiter. Ich hatte vor ungefähr nem Monat eine GENAUE Reiseroute erstellt und in die Gruppe geschickt, um nach Roadtrip-Buddies zu suchen. Wie sich später rausgestellt hat, hat den aber scheinbar keiner gelesen und einhalten wollte ihn erst recht keiner.
Mein ursprünglicher Plan war gewesen, ganz früh morgens am 27. Dezember loszufahren, um nachmittags in Montgomery in Alabama anzukommen, dort die Stadt zu besichtigen, dort zu schlafen und am nächsten Tag über Monroeville (Geburtsort und Stadtvorlage von der Autorin von meinem Lieblingsbuch „To kill a Mockingbird“) zu den Gulf Shores in Alabama zu fahren, da ich noch nie so wirklich am Sandstrand war. Aufgrund eines Drogentests für einen potentiellen Job am 27. konnten wir dann aber allerdings erst später los. Und alle Pläne waren somit hinfällig.
Gegen 11 Uhr sind dann Malte aus New York State und Max aus Wiscoooonsin (Bier-Buddies aus dem Vorbereitungsseminar) nach 14 bzw. 5 Stunden Fahrt im wunderschönen Olney eingetroffen. Nachdem ich dann die Autos gesehen habe, dachte ich mir nur, warum wir denn mit dem ältesten und am meisten abgeranzten Auto fahren müssen. Aber gut. Nachdem das Gepäck im wunderschönen Chevrolet Malibu verstaut war, musste Malte unbedingt noch eine Runde mit Max’ dickem Audi drehen. Zitat „In deiner Straße gibt es gar kein Schild was die Geschwindigkeit vorschreibt.“ Ok, macht mal.
Nach einer kurzen Stadtrundfahrt durch Olney und hallendem Gelächter über das College („so groß ist unsere Turnhalle“) hat sich dann relativ schnell ein großes Problem herausgestellt: Der Musikgeschmack. Um nicht alle gleich zu vergraulen, habe ich meine Roadtrip Playlist anstatt meiner #ellisfavoriteskreuzundquer angemacht, aber selbst das war scheinbar nichts für die sanften Gemüter. Eine andere „Regel“, die es in Olney so nicht gibt war, dass der Fahrer mit seinem Handy Navi machen muss, weil die anderen ja mit ihrem Handy was machen wollen. Unter den Olney-Menschen ist das anders geregelt: Beifahrer, und zwar der, mit unbegrenztem Internet.
Und es gab ein anderes Problem, verursacht durch einen Vorfall von vor ein paar Wochen: Nach einer nicht ganz so langen Partynacht hat sich jemand in meinem Auto von seinem Mageninhalt getrennt. Das ganze war zwar relativ ungünstig (sogar der Sitz musste ausgebaut werden), aber ich schwöre, es gibt keine Rückstände mehr. Der Teppich ist vor lauter Putzmitteln sogar ziemlich ausgebleicht. Und riechen tut es auch nicht mehr! Aber dennoch, nachdem sich tausend mal beschwert wurde, haben sich meine Beifahrer dann Duftbäume gekauft. Außer Kopfschmerzen haben die aber nicht so viel gebracht. Und ich musste den Leuten beibringen, dass man das Plastik nach und nach abzieht, und den Duftbaum nicht von Sekunde eins komplett da ausstinken lässt. Dass Duftbäume gar nicht mal so gesund sind, wollte auch keiner hören.
Ich beschwere mich zu viel über meine Beifahrer? Well, es gibt genügend Gründe dafür! Ich musste Charts und Hörspiele hören, auf die ich mich gar nicht konzentrieren konnte, während die beiden geschlafen haben! Kurz vor Alabama hatte ich Max dann die Aufgabe gegeben, bitte das Alabama Schild zu fotografieren – hat leider nicht geklappt. Nach knapp 12 Stunden Fahrt und Sätzen wie „Dein Auto ist ne Todesfalle“ und „Hätte ich das gewusst, wären wir mit meinem Auto gefahren“ (Max wollte nicht fahren, weil er nach so und so vielen Meilen den Zahnriemen für 1000$ wechseln lassen muss, und deshalb Meilen spart), sind wir dann gegen Mitternacht in den Gulf Shores in Alabama angekommen. Alabama war der erste „neue“ Bundesstaat für mich auf dem Trip, allerdings habe ich dort nichts sehen können, denn es war dunkel. 1150km an einem Tag gefahren – Check! Ist ehrlich gesagt auch gar nicht soooo anstrengend, weil Autofahren hier so viel einfacher ist. Hier gibt es keine Autobahn, sondern nur Interstates. Tempolimit ist meistens 70 Meilen pro Stunde, also etwa 115km/h. Das gute hier ist, dass die LKWs auch 70 fahren. Sieht man also vor sich einen LKW auf die linke Spur ziehen, brauch man gar nicht mal so doll abbremsen, weil eigentlich alle relativ gleich schnell fahren.
Unterkunft hatten wir keine gebucht, aber wir sind zu einem Comfort Inn (sollte nicht das erste bleiben) direkt am Strand gefahren. Dank Neben- bzw. gar keiner Saison haben wir ein günstiges Zimmer bekommen. Auch wenn es nach Mitternacht war, wollte ich unbedingt nochmal an den Strand! Nach ungefähr 5 Minuten laufen waren wir auch da, und nachdem ich zum ersten Mal in meinem Leben Palmen gesehen habe, konnte ich meine Füße im doch kälter als gedachten Golf von Mexiko abkühlen. Zimmer war top, allerdings war die Dusche eben mit dem restlichen Bad, sodass alle meine Klamotten, die dort einfach rumlagen, auch erstmal gewaschen wurden.
Nach einem kurzen Strandspaziergang am nächsten Morgen sind wir dann weiter gefahren. Direkt nach New Orleans wollten wir noch nicht, da wir eh erst ab 4 Uhr ins Airbnb gekonnt hätten. Auf dem Weg lag Mobile, bekannteste Hafenstadt Alabamas, in der es die USS Alabama, also ein Schlachtschiff aus dem zweiten Weltkrieg, zu bestaunen gibt. Somit sind wir dann also auf einem Schiff rumgelaufen, von dem aus ein Haufen Menschen umgebracht wurden – na super. Ein U-Boot gab es auch zu bestaunen. Ist aber halt schon makaber, wenn dann irgendwelche Menschen vor dicken Kanonen oder Munition posen. Aber dennoch hatte das Schiff in den letzten Jahren auch was Gutes: Die Golfregion wird oft von Hurrikans heimgesucht, der bekannteste der letzten Jahre war vermutlich der Hurrikan Katrina, der auch in Mobile gehaust hat. Museumsmitarbeiter konnten aber teilweise überleben, da sie sich im Schiff „verstecken“ konnten. Nachdem ich dann noch die Lieblingskampfflugzeuge von Malte sehen konnte (sind nur zum ausspionieren, nicht zum Bomben abwerfen, jaja), ging es dann weiter nach New Orleans.
Es gab vier Zimmer mit verschiedenen Anzahlen von Betten, aber 14 Leute. Bisschen Streit war also vorprogrammiert. Das schlimmste an der ganzen Sache: Nur eine Person (ich) hatte Bier mitgebracht! Das war also schnell aufgebraucht, weshalb wir erstmal einkaufen gehen mussten. Es gab keinen richtigen Plan, was denn so die nächsten Tage gegessen werden soll, weshalb das ganze eher ein Chaos war. Zum Abendessen gab es dann aber eh Pizza.
Ich hatte die Olney-Menschen fast zwei Wochen nicht gesehen, weshalb mir mein Geburtstagsgeschenk dann in New Orleans überreicht wurde. Mein ironisches „boah, ich hätte so gerne den Army Pullover von den Chicago Bears“ wurde dann scheinbar wirklich als Geburtstagswunsch aufgenommen, weshalb ich genau diesen Pullover zum Geburtstag bekommen haben. 100% der Einnahmen werden der Army gespendet – na super!
Mit der ersten Runde Bier Pong wurde dann der Silvestertrip so richtig eröffnet, Geschichten aus den vergangenen Monaten ausgetauscht, und versucht, leise zu sein, da irgendwo im Haus ein Geräuschdetektor versteckt war, der ab einer bestimmten Lautstärke Infos an den Vermieter gibt, der uns dann eine Strafe zahlen lässt.
Hungrig und ungeduldig wie ich immer bin, war ich am nächsten Morgen die erste, die daran gedacht hat, sich was zu Essen zu machen. Nach und nach sind alle anderen aufgestanden, weshalb ich dann letztendlich für alle Rührei und Speck machen durfte und meins dann kalt essen musste. THX! Danach ging es dann mit den für New Orleans berühmten Streetcars in die Stadt. Nach einem kleinen Umweg zum Stadion der New Orleans Saints ging es weiter Richtung Mississippi River, wo es ein paar Dampfschiffe mit nerviger Musik zu bestaunen gab.
Danach gab es noch einen kleinen Spaziergang durch die Gassen New Orleans‘ und den French Quarter (einer der wenigen Orte Amerikas, an dem Alkohol außerhalb von Gebäuden getrunken werden darf), bevor es zurück zum Airbnb ging.
Vom Hunger gequält durfte ich dann wieder kochen, wobei ich festgestellt habe, dass es Menschen gibt, die kulinarischer noch weniger anspruchsvoll sind, als ich. Es gibt tatsächlich Menschen, die die Nudelsoße aus dem Glas kalt essen oder nicht mit frischen Tomaten oder wenigsten ein paar Gewürzen aufpeppen wollen! Disgusting!
Am nächsten Morgen (nachdem ich wieder Frühstück gemacht habe, diesmal gab es aber Spiegelei statt Rührei) hab ich mich dann alleine auf den Weg in Richtung Stadt begeben. Nach einem kurzen Besuch in einer katholischen Kirche, in der gerade der Rosenkranz gebetet wurde, ging es weiter zum World War 2 Museum, eines der größten Museen der Welt über diesen Krieg.
New Orleans ist bekannt für Geister, Voodoo, Friedhöfe, und allgemein eher düstere Dinge, weshalb wir für den Abend eine Geistertour gebucht hatten, bei der wir zu verschiedenen Orten in der Stadt gelaufen sind und creepy Dinge erzählt bekommen haben. Danach ging es für die von uns, die alt genug waren, ins Casino. Dank Mitgliedskarte von Moritz konnten wir kostenlos Getränke ordern – den Verlust meines Geldes konnte ich also mit kostenlosen Cocktails kompensieren.
Auf dem Heimweg wurden wir dann im Streetcar mit den Worten „Wait, are you PPP participants?“ angesprochen – Maltes Pullover hatte uns verraten. Die drei Amerikaner waren letztes Jahr Teil des Austauschprogramms, und haben somit ein Jahr in Deutschland verbracht. Bei so vielen Zufällen haben wir die drei aus Montana, Tennessee und Mississippi also erstmal in unser Apartment eingeladen.
Am nächsten Morgen, bzw. eher Mittag, gab es dann Omelette für mich (eigentlich mag ich keine Eier, aber irgendwie ists am einfachsten und günstigsten), bevor ich mich alleine zu einem der bekanntesten Friedhöfe in New Orleans begeben habe. Ich wusste nicht, dass man da nicht einfach so drauf darf, weshalb ich mich mehr oder weniger unbewusst zu einer Tour dazugeschmuggelt habe. Sorry dafür, aber das Touri-Abzock-Touren-Business wird’s verkraften.
Danach ging es zur New Years Eve Parade anlässlich des Sugar Bowls (College Football Turnier). Das Ganze war vergleichbar mit einem deutschen Faschingsumzug: Marching Bands (Musikgruppen), Cheerleader (Gardemenschen) und mehr oder weniger große Johnnys mit Art Faschingswagen dran, die die für New Orleans bzw. Mardi Gras typischen Perlenketten geworfen haben.
Nachdem wir dann mit 8$ Shots um 17 Uhr deutsches Silvester gefeiert haben, ging es nochmal zurück zum Airbnb, um den Studenten- bzw. Arbeitslosengeldbeutel zu schonen. Ich dachte ja, mittlerweile haben alle einen Job, aber es war eher nur so die Hälfte. Auf dem Heimweg haben wir wieder die amerikanischen PPP-Teilnehmer getroffen! So viele Zufälle! Da ich am nächsten Morgen fahren musste, habe ich beschlossen, meinen Alkohol-Konsum kurz und mehr oder weniger schmerzlos zu halten. Hat im Endeffekt auch funktioniert. Mit dem Streetcar zurück in die Stadt, wo an dem Abend auch Usher kostenlos gesungen hat, haben wir uns dann an das Ufer des Mississippi River gesetzt, um das Feuerwerk anzuschauen.
Beim Durchschlendern des French Quarter haben wir dann wieder die Amis getroffen, ein bisschen mit denen rumgehangen, bevor es relativ zeitig zurück ins Airbnb ging. Ohne Frühstück am nächsten Morgen und auch ohne großes Aufräumen, ging es dann mit meinen beiden Beifahrern nach Dallas, obwohl, halt! Meine netten Beifahrer waren nicht zufrieden mit meiner perfekt geplanten Reise, und haben stattdessen ausnahmsweise ihr Handy als Navi angeboten, allerdings nicht mit dem Ziel Dallas, sondern Houston. Ab da wurde das Ganze dann zu einer etwas anderen Reise (man kann eine Stadt nicht abhaken, nur weil man mit dem Auto durch Downtown gefahren ist, man muss auch irgendwas dort machen) und mir wurde schon angedroht, dass der Webmaster (Malte) meinen Beitrag löschen wird, wenn das Ganze zu negativ wird. Deshalb folgend, Fotos dieses einzigartigen Roadtrips:
In Dallas war ich für ein paar Stunden alleine unterwegs, da ich meine Zeit nicht nur mit Essen verschwenden wollte. Überall wird man von Bettlern oder komischen Menschen angesprochen, weshalb ich irgendwann gar nicht erst darauf reagiert hat, als mir ein farbiger Mann ein frohes Neues Jahr gewünscht hat – im Süden sind die Menschen meistens super freundlich. Mit einem „Sei mal nicht so voreingenommen gegenüber Schwarzen, wir sind nicht alle obdachlos und böse“ hat er sich dann verabschiedet, bevor er sich in sein dickes Auto gesetzt hat. Das hat mich schon ein bisschen nachdenklich gestimmt, gerade da ich mich eigentlich als überhaupt nicht von Vorurteilen gelenkt beschreiben würde.
Ich wollte schon immer mal Bisons außerhalb eines Zoos sehen, weshalb mein Roadtrip nach Oklahoma ging, denn dort gibt es eine Prärie bzw. eine Art Bison Reservat, in dem mehrere tausend Bisons leben und grasen! Mit einem vollen Tank ging es dann also in das Nichts. Vor dem geschlossenen Besucherzentrum haben wir dann sogar noch sowas wie Nachbarn getroffen (waren von Wiscoooonsin, und somit auch ziemlich weit von Zuhause weg). Die haben wir dann später nochmal gesehen – mit Polizei am Straßenrand stehend. Ansonsten kamen uns dort allerdings nicht ganz so viele Autos entgegen…
Nach 9 Tagen, 11 Staaten (nur fünf davon waren neu), 3 Museen, etlichen Biers, etwa 2600 Meilen/4200km und mehr als 40 Stunden im Auto sind wir wieder heile in Olney angekommen. Houston und Dallas gehören zu den größten Städten Amerikas, und ich habe es tatsächlich geschafft, auf teils 8-spurigen Straßen in und durch die Städte zu fahren! Dank Silvester oder eher Neujahr waren die Städte aber glücklicherweise eher Geisterstädte, und es gab so gut wie keinen Verkehr, und Parken war auch kein allzu großes Problem. Ich habe mal nachgeschaut, das ist ungefähr so lange, wie einmal von Portugal bis in die Ukraine – also einmal quer durch Europa! Am liebsten würde ich gleich wieder wegfahren! But first, obligatorischer Ölwechsel nach etwa 3000 Meilen.
Bitte nicht alles so ernst nehmen – thx für die Silvesterfeier in New Orleans, und thx an meine Beifahrer, die mich jeden Tag mehrmals zur Weißglut gebracht haben – war aber trotzdem ganz cool!
„May the tears you cried in 2019 water the seeds you’re planting for 2020.“ – Frohes Neues euch allen! Happy New Year!
Hört sich nach einer spannenden Zeit an! 🙂
alle achtung elena – kompliment fuer planung, verkoestigung der crew, viele autokilometer and so on.
agnes